PARTIZIPATION – Nicht ohne uns!

Es wurde festgestellt, dass Menschen afrikanischer Herkunft in den Routinen der Berliner Verwaltung vorwiegend als Klient*innen – und damit einseitig – adressiert wird.[1] Eine spezifische rassismuskritische Expertise oder Kenntnisse über Schwarzes Leben in Berlin, in Deutschland oder in Europa wird zudem noch nicht als notwendiges Wissen für die Arbeitsroutinen der Berliner Verwaltung anerkannt.

Klientifizierung als Norm/alität in der Adressierung von rassistisch marginalisierten Gruppen gilt es deshalb zu problematisieren und schrittweise aufzubrechen. Dafür ist eine tiefergehende Beschäftigung mit der Kritik an Partizipationskonzeptionen unerlässlich. Die Kritik lautet zugespitzt, dass Partizipation derzeit oftmals lediglich als die Akzeptanz eines externen Angebots durch die rassistisch marginalisierte Zielgruppe verstanden wird.[2] Übertragen auf das Handlungsfeld „Gleichstellung von Menschen afrikanischer Herkunft und Abbau von anti-Schwarzem Rassismus“ stellen wir deshalb die Frage: Inwiefern wird die jeweilige, rassistisch marginalisierte Zielgruppe instrumentalisiert? Genauer: Wird sie lediglich als „Dekoration“ beteiligt und übernimmt damit eine Alibi-Funktion oder kann sie tatsächlich bedeutende Teile des Prozesses selbst steuern?

Das Veränderungspotential hier besteht darin, konsequent Raum für selbstgesteuerte, selbstverwaltete Elemente konzeptuell zu verankern oder durch Bekundungsverfahren und Ausschreibungen nahezulegen. Partizipation als Demokratisierungsinstrument, Partizipation verstanden als fachlich fundierte politische und soziale Inklusionsstrategie sollte zu einem bedeutenden Pfeiler der gleichstellungspolitischen Arbeit werden. Dabei reicht es aber nicht aus, nur den Moment des Einbeziehens zu bedenken. Es gilt auch, kritisch über die Qualität des jeweiligen Einbezugs nachzudenken.

Aus diesem Grund sind die Sicherung von qualitätsvollen Beteiligungsprozessen und der gezielte Aufbau einer reflexiven Beteiligungskultur grundlegende Elemente der gleichstellungspolitischen Arbeit des GBG. Das Ziel des Einbezugs muss die Erhöhung und Sicherung der Partizipationsqualität sein. Und schließlich muss im Sinn der politischen Intersektionalität die Teilhabe von Mehrfachmarginalisierten explizit verankern werden.[3]

PROFESSIONALISIERUNGSKULTUR

Um eine Verteilungsgerechtigkeit gegenüber marginalisierten Gruppen etablieren zu können, müssen Ermöglichungsräume geschaffen werden, in denen sich marginalisierte Gruppen mit Blick auf Faktoren und Anliegen, die ihre Lebenswelten betreffen, gemeinsam qualifizieren und professionalisieren können. Mit Professionalisierungskultur ist somit die Forderung verbunden, das die Expertise von marginalisierten Gruppen formal anerkannt und damit den Expertisen rassistisch dehumanisierter Kollektive und Personen als verwaltungsrelevantem Wissen Rechnung getragen wird.[4]

Marginalisierte Gruppen im Allgemeinen und rassistisch marginalisierte Gruppen im Besonderen müssen als Teil der Lösung betrachtet werden. Sie bedürfen dazu der Erfahrung von politischer Selbstwirksamkeit. Um einer solchen Erfahrung Rechnung zu tragen, muss die Netzwerkarbeit von Selbstorganisationen rassistisch marginalisierter Gruppen rassismuskritisch flankiert werden. Intersektional-rassismuskritische Kompetenzbildung in Selbstorganisationen vulnerabler Gruppen gilt es, so selbstgesteuert wie möglich zu verankern. Sie müssen als soziale Gruppe Ermöglichungsräume bekommen, innerhalb derer sie, trotz aller in hyperdiversen Gruppen zu erwartenden Kontroversen, die Zielrichtung ihrer Emanzipation in wesentlichen Teilen sowohl konzeptionell und inhaltlich als auch methodisch selbst steuern können.

REFLEXIVE SOLIDARITÄT

Da vulnerable Gruppen oftmals durch die Logik von Förderlinien in Konkurrenz zueinander gesetzt werden, sind Überschneidungen von Diskriminierungs- und Marginalisierungserfahrungen (Intersektionen) aber auch community-übergreifende Solidarisierungen nicht als Bestandteil von Inklusionskonzepten in Förderrichtlinien verankert. Das GBG zielt daher auf eine intersektional-rassismuskritische Gleichstellungsarbeit, um die Solidaritätsarbeit zwischen marginalisierten vulnerablen Gruppen zu unterstützen, statt Konkurrenz zwischen ihnen zu re-/produzieren. Ein realistischer Umgang mit Konfliktfeldern innerhalb der marginalisierten Selbstorganisationslandschaft muss allerdings konzeptionell erarbeitet, erprobt und evaluiert werden. Die Bereitschaft zur selbstkritischen Reflexion muss gefördert, ermöglicht und vorausgesetzt werden. Reflexionsräume müssen daher durchgehend finanziert werden.

Täglich rassistisch dehumanisiert zu werden, ist zudem eine demotivierende und auch gesundheitlich-psychisch belastende Marginalisierungsrealität. Nur auf eine äußerlich definierte „Funktionsfähigkeit“ zu setzen, greift daher als Strategie viel zu kurz. Vielmehr müssen marginalisierte Gruppen die Themen von psychisch-mentaler Gesundheit und Wohlbefinden sowie die mit Krisenerfahrungen verbundenen Gesundheitsrisiken konzeptionell bearbeiten können. Für diese entscheidende Ebene der Klärung und der Professionalisierung brauchen sie jedoch durchgehend finanzierte Reflexionsinstanzen.

 

[1] (Vgl. Auma, Kinder und Piesche 2019 sowie Auma, Kinder und Piesche 2020)

[2] (Vgl. Wright 2010)

[3] (Vgl. Crenshaw 1994; Yoshida 2018)

[4] (Auma, Kinder und Piesche 2019)

 

Quellen:

Auma, Maureen Maisha; Kinder, Katja; Piesche, Peggy (2019): „Abschlussbericht des Berliner Konsultationsprozesses 2018: Die Sichtbarmachung der Diskriminierung und der sozialen Resilienz von Menschen afrikanischer Herkunft in Berlin“. Öffentliche Drucksache 18/2330, online unter https://www.parlament-berlin.de/ados/18/IIIPlen/vorgang/d18-2330.pdf

 

Auma, Maureen Maisha; Kinder, Katja; Piesche, Peggy (2019): „Diversitätsorientierte institutionelle Restrukturierungen – Differenz, Dominanz und Diversität in der Organisationsweiterentwicklung.“ In: Deutsch Plus e.v. (Hg.): Impulse zu Vielfalt 2019/3, online unter https://www.deutsch-plus.de/wp-content/uploads/2019/12/ifv-1903-auma-kinder-piesche.pdf

 

Crenshaw, Kimberlé Williams (1994): „Mapping the Margins: Intersectionality, Identity Politics, and Violence Against Women of Color.” In: Martha Albertson Fineman, Rixanne Mykitiuk (Hg.): The Public Nature of Private Violence. New York: Routledge, S. 93-118.

 

Yoshida, Keina (2013): „Towards Intersectionality in the ECHR: The Case of B.S. v Spain.” In: Feminist Legal Studies (2013) 21, S. 195-204.

 

Partizipationsmodelle:

Wright, Michael T. (2010): „Partizipation: Mitentscheidung der Bürgerinnen und Bürger“. In: GLOSSAR der BZgA Allgemeine Grundbegriffe. Online unter https://www.leitbegriffe.bzga.de/alphabetisches-verzeichnis/partizipation-mitentscheidung-der-buergerinnen-und-buerger/#top.

 

Wright/Block/Unger (2010) „Stufen der Partizipation: Zusammenarbeit ist ein Entwicklungsprozes“. In: Deutsche Aidshilfe: Partizipative Qualitätsentwicklung in der HIV-Prävention, online unter https://www.pq-hiv.de/de/kapitel/stufen-partizipation